Optimal Betriebstemperatur der Gesellschaft bei 13°C

Martin Schönhart

Auch menschliche Gesellschaften haben eine optimale Betriebstemperatur – jedenfalls hinsichtlich ihrer Produktion (gemessen anhand des BIPs): sie liegt bei 13°C im Jahresdurchschnitt. Darüber sinkt die Produktion, darunter auch. Der Zusammenhang ist nicht-linear. Das ist die zentrale empirische Erkenntnis von Burke et al. (2015) in ihrem Artikel “Global non-linear effect of temperature on economic production”, erschienen in NATURE.

Was hat diese Erkenntnis mit Agrarökonomie zu tun? Eine ganze Menge angesichts der Tatsache, dass Burke und seine Kollegen in ihrem Artikel neben reicheren und ärmeren Ländern zwischen landwirtschaftlicher und nicht-landwirtschaftlicher Produktion unterscheiden – mit immer ähnlichen Ergebnissen. Aus agronomischer Sicht überraschen diese nicht, denn Hitzestress ist bei Pflanzen und Tieren bekannt. Aus Sicht von Mikrostudien zur Arbeitsproduktivität überraschen die Ergebnisse auch nicht. Und letztlich decken sie sich wohl auch mit persönlichen Erfahrungen. Nur Makro-Studien konnten bislang keinen Zusammenhang zwischen höheren Temperaturen und sinkender Produktivität für Industriestaaten nachweisen.

Burke et al. verfeinerten die Methode, indem sie jedes Land mit sich selbst über die Zeit verglichen und die Daten um Temperatur-unabhängige Schocks bereinigten. Dann rechneten sie Entwicklungen für verschiedene Szenarien zum Globalen Strahlungsantrieb (Representative Concentration Pathway, RCP), d.h. verkürzt dargestellt, unterschiedliche Niveaus an Treibhausgasemissionen). RCP 8.5 führt laut Klimamodellen zu einer Steigerung der globalen Oberflächentemperatur von 2,6°C – 4,8°C in der Periode 2081-2100 verglichen mit 1986-2005 (IPCC, 2014). Nur zum Vergleich: mit ambitionierteren Zielen ab 2030, als bei der Klimakonferenz in Paris 2015 diskutiert, liegt die globale Durchschnittstemperatur 2100 mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 60% bei 2-3°C.

Mit der von Burke unterstellten Erwärmung laut RCP 8.5 werden je nach Annahmen zu Bevölkerungsentwicklung und technologischem Fortschritt 2100 5% oder 43% der Länder ärmer sein als heute. Die globale Produktion sinkt um 23%, freilich immer noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 29%, dass es doch zu globalen Produktionssteigerungen kommt. Die Ergebnisse berücksichtigen Anpassungspotentiale wie in der Vergangenheit beobachtet und zeigen trotzdem deutlich stärkere Verluste als bisher modelliert. Verluste sind in allen Regionen der Welt möglich. Nur für Europa rechnen Burke et al. im Durchschnitt mit Produktionssteigerungen durch den Klimawandel in nahezu allen Fällen. Damit stützen die Ergebnisse das Argument von Nicholas Stern (2016), wonach derzeitige ökonomische Modelle die globalen Gefahren des Klimawandels drastisch unterschätzen.

Wer sich angesichts dieser Ergebnisse für Europa freut, dem muss man wohl angesichts des Klimawandels und der Erfahrungen mit globalen Flüchtlingsströmen im besten Fall ein gewisses Maß an Naivität unterstellen. Wird es noch wärmer, so geht die Produktion in vielen Ländern – besonders jenen des Südens – zurück. Die globale Schere zwischen armen und reichen Ländern wird sich wahrscheinlich weiten und kann zu humanitären Katastrophen führen. Ganz nebenbei: 2013 wiesen die selben Autoren (Hsiang et al., 2013) in SCIENCE nach, dass mit steigenden Temperaturen auch persönliche und gesellschaftliche Konflikte zunehmen – neben fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven ein wesentlicher Treiber für Migration.

Referenzen

Burke, M., Hsiang, S.M., Miguel, E., 2015. Global non-linear effect of temperature on economic production. Nature 527, 235–239.

Fawcett, A.A., Iyer, G.C., Clarke, L.E., Edmonds, J.A., Hultman, N.E., McJeon, H.C., Rogelj, J., Schuler, R., Alsalam, J., Asrar, G.R., Creason, J., Jeong, M., McFarland, J., Mundra, A., Shi, W., 2015. Can Paris pledges avert severe climate change? Science 350, 1168–1169.

Hsiang, S.M., Burke, M., Miguel, E., 2013. Quantifying the Influence of Climate on Human Conflict. Science 341, 1235367.

IPCC, 2014. Climate Change 2014. Synthesis Report. Summary for Policymakers. (www.ipcc.ch; 22.2.2016).

Stern, N., 2016. Economics: Current climate models are grossly misleading. Nature 530, 407-409.

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