Agrarökonomische Experimente

Ulrich Morawetz

In der Entwicklungsökonomie und in der Arbeitsmarktforschung haben ökonomische Experiment zur Evaluierung von Politikmaßnahmen in den letzten Jahrzehnten einen großen Einfluss auf die wissenschaftliche Debatte und darüber hinaus gehabt. Insbesondere Randomized Controlled Trials (RCT) die wie Versuche zum Testen neuer Medikamente funktionieren haben viele neue Erkenntnisse gebracht. Das wird deutlich an den Publikationen im „American Economic Journal: Applied Economics“  oder Beiträgen zu den VertreterInnen des experimentelle Zugangs im Economist. Zahlreiche Publikationen auf Basis von RCT sind an der Schnittstelle Agrarökonomie und Entwicklungsökonomie entstanden. Relativ wenige gibt es zu Agrarpolitik in der Industriestaaten.

Ein neuer Bericht des Joint Research Centre gibt nun einen Überblick über ökonomische Experimente in der Agrarpolitik der EU.

“(How) can economic experiments inform EU agricultural policy?” von COLEN Liesbeth, GOMEZ Y PALOMA Sergio, LATACZ-LOHMANN Uwe, LEFEBVRE Marianne, PRÉGET Raphaële, THOYER Sophie

Die AutorInnen beschreiben sowohl hypothetische Experimente (z.B. Discret Choice Experimente), Laborexperiment (d.h. mit Freiwilligen die um Geld spielen), Feldexperimente (d.h. im typischen Umfeld einer Entscheidung) als auch Randomized Controlled Trials (RCT). Besonders lesenswert ist, dass für jede Art von Experiment zahlreiche Beispiele für Publikationen aus dem Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gegeben werden - jedoch mit Ausnahme der RCTs, da es hier noch keine Anwendungen für die GAP gibt.

Gut gefällt mir auch die Aufzählung wofür Experimente verwendet werden:

  • Schätzen kausaler Effekte von Politikmaßnahmen
  • Verhalten bei Politikänderungen erklären
  • Ex-Ante Auswirkung von Politikmaßnahmen testen

In diesem Zusammenhang ein Überblick über verhaltensökonomische Studien in der Agrarökonomie gegeben wird (Tabelle 2 im Bericht).

Ein großes Hindernis für die Anwendung von RCTs ist, dass in einem RCT nur ein zufällig ausgewählter Teil an der zu evaluierenden Politikmaßnahme teilnehmen kann (z.B. einer Fortbildung). Die zufällige Auswahl der Teilnehmer ist jedoch Voraussetzung, dass es keinen systematischen Unterschied gibt zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern. Dies wiederum ermöglicht, dass der Effekt einer Maßnahme unverzerrt, und zwar mit statistischen Mitteln gemessen werden kann.

Da die Zufallsauswahl von Teilnahmeberechtigten im Zuge der Umsetzung von Politikmaßnahmen nicht leicht durchzusetzen ist beschreiben die Autoren „Close to Random“ Prozeduren. Als Beispiele nennen sie, dass beim Anlaufen einer Maßnahme ein zufällig ausgewählter Teil schon früher daran Teilnehmen als der Rest. Wenn die Auswirkungen der Maßnahme in dieser Zeitperiode messbar sind, so kann daraus wertvolle Information gewonnen werden. Andere “Close to Random“ Zugänge sind, dass zufällig ausgewählte potentielle Teilnehmer intensiv beworben werden während der Rest nicht beworben wird. Erfreulicher Weise wurde auch mein Vorschlag für „Free-lunch randomization“ in dem Bericht aufgegriffen (vgl. Morawetz, 2014).

Im Bericht wird auch auf ökometrische Methoden eingegangen die eine alternative zu experimentellen Zugängen darstellen (Instrumentalvariablenregression, Regression Discontinuity, Matching). Ein mögliches weiteres Thema in diesem Zusammenhang wäre, wie GAP Maßnahmen gestaltet werden können, sodass diese ökonometrischen Methoden (besser) angewendet werden können, um die Wirksamkeit von Maßnahmen zu messen. So kann etwa ein Maßnahmen die nur für LandwirtInnen über 40 Jahren verfügbar ist relativ leicht evaluiert werden: für knapp über 40 Jährige Teilnehmer stehen mit den knapp unter 40 Jähren LandwirtInnen eine Kontrollgruppe zur Verfügung steht. Brüche dieser Art können vielleicht bewusst eingeführt werden um die Evaluierung einfacher (und damit günstiger) und weniger verzerrt zu machen. Es ließe sich wohl auch mit dem Targeting von GAP Maßnahmen gut verbinden.

Auf jeden Fall ein gut lesbarer Bericht mit vielen Anregungen für Forschung und Programmgestaltung.

Comments are disabled for this post.

0 comments

Redaktionsteam
E-MAIL UPDATE
Archiv