Economics: Open-Access, Open Assessment E-Journal

Ulrich Morawetz

Es gibt eine Reihe von Gründen, das System, wie wissenschaftliche Artikel publiziert werden, kritisch zu hinterfragen:

 

  • Ein paar wenige Verlage betreiben die wichtigsten Journals und verlangen hohe Gebühren für das Lesen der Artikel.
  • Der Begutachtungsprozess zieht sich oft über viele Monate und, nachdem ein Artikel akzeptiert wurde, dauert es oft nochmals mehrere Monate, bis er offiziell erscheint. Das ist besonders für jene, deren Abschlüsse und Evaluierungen von Publikationen abhängen ein Hindernis.
  • Der Begutachtungsprozess ist in fast allen Journals für die LeserInnen nicht einsehbar, und viel, für die LeserInnen interessante Information, geht dadurch verloren.
  • Das Engagement der GutachterInnen ist, selbst innerhalb eines Journals, manchmal sehr unterschiedlich und manchmal kommt es zu unfairen Entscheidungen

Diese Kritikpunkte sind nicht neu und – vielleicht auch als Reaktion darauf – gibt es eine große Anzahl an Journals, bei denen das Lesen kostenlos ist (Open Access). Bei manchen der Open-Access-Journals müssen die Autoren zahlen (z.B. Journal of Agricultural and Resource Economics), bei anderen werden die Kosten auf andere Weise getragen (z.B. ÖGA-Jahrbuch).

Unter die vielen Open-Access-Journals mischen sich jedoch auch „predatory journals“. Sie verlangen von den AutorInnen Gebühren für das Publizieren, jedoch müssen die Artikel keinen adäquaten Begutachtungsprozess durchlaufen um publiziert zu werden. Bekannt ist die Liste von Jeffrey Beall  in der "[p]otential, possible, or probable predatory scholarly open-access" Verlage und Journals auflistet sind. Diese "predatory journals" haben zu einer Verunsicherung geführt, welchen Open-Access-Journals man trauen kann.

 

Vor kurzem bin ich auf das Journal „Economics. The Open-Assessment, Open-Access E-Journal” aufmerksam geworden. Da ich es für sehr gelungen halte, möchte ich es hier kurz vorstellen:

  • Das Economics E-Journal ist ein "general interest Journal". Es können daher Beiträge aus allen Bereichen der Ökonomie, auch aus der Agrarökonomie, eingereicht werden.
  • Das Journal verpflichtet sich den Zielen: Open Access ("read, download, copy, distribute, print, search, or link to the full texts of these articles"), Open Assessment (zum Review-Prozess siehe unten), Speed (Discussion Papers erscheinen nach 3 Wochen) und Add-on Service (wissenschaftlicher Austausch wird from von online-Foren gefördert).
  • Das Einreichen, Publizieren und Lesen ist kosten. Dies ist möglich da das Institut für Weltwirtschat an der Universität Kiel und die Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft   die Kosten tragen.
  • Der Herausgeber des Journals ist das Institut für Weltwirtschaft. Es ist eine Stiftung öffentlichen Rechts des Landes Schleswig-Holstein und ist der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angegliederte.
  • Der Review-Prozess ist zweistufig: Wenn ein hochgeladenes Manuskript den grundlegenden Qualitätsansprüchen entspricht, erscheint das Manuskript als Diskussionspapier auf der Webpage des Journals (inklusive der Namen der AutorInnen). Registrierte LeserInnen können das Diskussionspapier 8 Wochen lange online kommentieren. Gleichzeitig werden zwei GutachterInnen kontaktiert, deren Reviews innerhalb von 8 Wochen ebenfalls online erscheinen (die GutachterInnen könen entscheiden ob sie anonym bleiben wollen). Die Reviews sollen sich auf zwei Aspekte konzentrieren: (i) "Is the contribution of the paper potentially significant?", (ii) "Is the analysis correct?" Die Antworten der AutorInnen auf die Reviews erscheinen ebenfalls online. Der/Die EditorIn entscheidet auf Basis aller Informationen, ob ein (überarbeitetes) Diskussionspapier als Journal-Artikel akzeptiert wird. Die Entscheidung des/der EditorIn erscheint ebenfalls online.
  • Das Journal ist seit 2007 online. In den Jahren 2012-2015 wurden jährlich zwischen 42 und 48 Artikel publiziert. Im selben Zeitraum wurden jährliche zwischen 48 und 69 Discussion Papers hochgeladen (siehe Tabelle unten).
Diskussionspapiere
 Journal Artikel

2012

68

48

2013

63

42

2014

48

43

2015

69

44

 Bis 10. Oktober 2016

41

23

  • Das Journal ist in den für Wissenschaftler wichtigsten Indices gelistet: Thomson Reuters (SSCI 2015: 0.46), Scopus,  SJR (0.299, Katgorie „Economics, Econometrics and Finance (miscellaneous)“ Q2).
  • Das Journal bietet die Möglichkeit, Datensätze online anderen zum Download zur Verfügung zu stellen.
  • Das Journal hat auch einen Schwerpunkt auf Replications Studies. Sie folgen einem speziell dafür angepassten Review Prozess.

Mein einziger Kritikpunkt an dem Journal ist sein Name: er ist bei Thomson Reuters und SJR schwer zu finden. Verwendet man die ISSN Nummer (1864-6042), kann man das Problem jedoch umgehen.

 

 

Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.

0 Kommentare